Wie aus dem Krieger Arminius unsa‘ Hermann wurde!

Ein Blick zurück

Das Hermannsdenkmal wurde in einer Zeit errichtet, als Frankreich und Deutschland bis aufs Blut verfeindet waren. Damals diente die Hermann-Darstellung als Machtinstrument und als Demonstration der Stärke gegenüber dem „Erzfeind” im Westen.
Um eine geschichtlich korrekte Darstellung und Erinnerung ging es den Erbauern weniger. „Er” schaut ja schließlich nach Paris – und nicht, wie es historisch eigentlich sinnvoll wäre, in Richtung Rom. Der Hermann als politische Drohung gegenüber Frankreich – aber weniger als Erinnerung an einen Befreier und Volkshelden.

In Siegerpose mit hoch erhobenem Schwert und den linken Fuß auf einem gestürzten „römischen” Adler gesetzt, wirkt das Denkmal grimmig und kriegerisch. Alle Interpretationen, dass Arminius vor 2000 Jahren der erste Befreier Deutschlands war, sind Wunschdenken und schlicht an den Haaren herbei gezogen. Es gab damals kein nationales Empfinden bei den Völkern Germaniens. Alle Identifikation beruhte in diesen Zeiten lediglich auf die Zugehörigkeit zum jeweiligen Stamm, zur Sippe oder zum Clan.

Die Lipper

An dieser Stelle kommt ein ganz besonderes Volk ins Spiel und bringt mich zu dem Punkt, warum ich den Hermann so liebe, ich mich soviel mit ihm beschäftige und ihn zum Kunstobjekt gemacht habe. Es sind die „Lipper“ an sich und deren Umgang mit „ihrem Hermann“, die mich so faszinieren.
Versuche, den Hermann zum Heiligtum eines unreflektierten deutschen Nationalismus zu küren, währen nun schon seit vielen Jahrhunderten. Davon unbeeindruckt haben die Lipper den Hermann kurzerhand für sich annektiert und aus „Hermann den Cherusker” „unsan‘ Hermann“ gemacht.

Der Hermann der Lipper ist nicht mehr der Krieger, der einst Menschen in die Schlacht führte und als Denkmal gen Frankreich droht. Der Hermann der Lipper ist die „gute Seele“, die über der Heimat wacht. Eine Art Kumpel, den man schon lange zu kennen meint. Einer, der schon immer da war und noch sein wird, wenn man selber gegangen ist.

Die Lipper haben ihren Hermann zu „dem“ Symbol ihrer Heimat gemacht.

Das Wahrzeichen, das mir nach einer langen Urlaubsfahrt anzeigt, „…jetzt bisste widda Zuhaus’!“ Er ist nun ein Schutzpatron, den man in Liedern bittet: „…Hermann, breite deinen Mantel aus…“.

Bekommen Lipper Kaffeebesuch von außerhalb, heißt es irgendwann: „Sollen wa jetzt mal zum Hermann rauf ?!“ Was die auswärtigen Gäste of nicht wissen: Dabei handelt es sich weniger um eine Frage als um eine Feststellung. Der unbedarfte Besucher ahnt noch nicht, dass er diesbezüglich keine wirkliche Entscheidungsfreiheit besitzt. Was dieser aber keineswegs zu bereuen hat.

Hermanngeschichten

Jeder meiner Kunden erzählt mir „seine“ persönliche Hermanngeschichte. Mindestens eine! Und wenn es „nur“ die Erlebnisse des ersten Schulausflugs sind.
Geschichten dieser Art gehören in Ostwestfalen flächendeckend zum Erzählrepertoire – nicht nur in Lippe. Auch nahezu 100% der Schüler aus den Kreisen Paderborn, Höxter, Herford, Gütersloh, Minden, Warburg und aus Bielefeld waren mindestens einmal während ihrer Schulzeit am Hermann. Das scheint in unserer Region zum Erwachsenwerden einfach dazuzugehören.

Einer meiner Lieblingsgeschichten berichtet davon, dass die Menschen, wo immer sie sich im Lipperland aufhalten, den Horizont nach dem Hermann absuchen. Und dabei zu sich selber oder ihrer Begleitung sagen: „Gut, er steht noch!“  Oder sie murmeln: „Ich kann ihn sehen.“ Und das gelegentlich mehrmals am Tag.

Ein Lipper wird wohl nie müde zusagen: „Kuckmal, da oben steht der Hermann.“ So als entdeckte man ihn zum ersten Mal in seinem Leben. Und einmal ist keinmal: Besucher können sicher sein, dass der Lipper schon am nächsten Tag bei einer ähnlichen Gelegenheit einen dieser Sätze erneut von sich geben wird.

Diese für ganz Lippe typische Liebe ist es, die mich dazu gebracht hat, mich mit dem Hermann zu beschäftigen und Ihn zu einem meiner Kunstobjekte zu machen.

Abwandlungen

Meine Darstellung des Hermanns wandelt das Original leicht, aber entscheident ab. Das habe ich bewusst entschieden, um meine Einstellung auszudrücken, dass der Hermann für mich viel mehr ein „lippischer Kumpel“ ist, als ein in die Jahre gekommener Krieger in herrischer Pose.
Auf das Schild kann er meiner Meinung nach gut verzichten. Denn er muss ja nicht mehr kämpfen. Er ist jetzt Botschafter des Lipperlandes oder auch Bote eines Grußes aus der Heimat. Ein solcher kommt stets in friedlicher Absicht und kann deshalb sein Schild getrost auf der Grotenburg stehen lassen.

Bleibt das Schwert. Das musste bei meiner Darstellung natürlich bleiben. Aber nicht länger als Waffe und Drohgebärde. Ich lade Sie ein, das Schwert als emporragende Flamme zu sehen. Ähnlich wie bei der New Yorker Freiheitsstatue. Als eine Flamme, die in der Dunkelheit leuchtet und mich nach Hause leitet. Als Fackel der Hoffnung und Freundschaft.

Auf einen niedergerungenen römischen Adler kann „mein“ Hermann ebenfalls verzichten. Der Hermann möchte niemanden mehr erschlagen oder unterdrücken. Zum anderen verbietet es die Nachbarschaft und Nähe zur Adlerwarte Berlebeck, respektlos mit einem Greifvogel umzugehen und ihn unterwerfen zu wollen. „Erst mache ich einen Besuch auf der Adlerwarte und bestaune die dortige Flugshow und dann stelle ich meinen linken Fuß auf die Brust eines so herrlichen Vogels.“ Das fand ich selber unpassend und habe den Adler deshalb seine Würde gelassen und auf ihn in meiner Hermann-Darstellung verzichtet.

Ich stelle den Hermann immer als Schattenriss dar. Denn wenn wir als Besucher zum Denkmal hinaufspazieren, nehmen wir ihn als erstes mit seiner Silhouette war – wie er hoch erhoben auf seinem Sockel steht, als dunkle Figur vor dem hellen Himmel. Erst nach und nach entdecken wir das figürliche und die Details.Und auch wenn wir ihn aus der Ferne erblicken, aus den Tiefen des Lipperlandes, sehen wir eigentlich immer nur einen Schattenriss des Hermann.

Apropos Sockel: Natürlich habe ich Ihn von seinem Sockel geholt. Erst wenn wir die „Helden“ von Ihrem Sockel holen, werden es wieder Kumpel, Freunde und Nachbarn. Und genau das ist ja unser Hermann.

Mein Hermann

Ich hoffe, dass ich Ihnen anschaulich beschreiben konnte, wie viel Freude ich mit unserem Hermann habe. Es sind die vielen Geschichten, die mir die Menschen erzählen: mit und über Hermann. Es ist aber auch das Wissen, dass annähernd 90% aller bei mir gekauften Hermänner, Geschenke sind. Voller Vorfreude bitten mich viele Kunden, den Hermann in Fleurop-Manier zu versenden. Weil Menschen einen sehr persönlichen Gruß aus der Heimat auf die Reise zu einem lieben Menschen bringen möchten.

Alle diese Geschichten und Erlebnisse machen ihn auch für mich zu „meinem Hermann“.
… und ich, ich bin Westfale.

 

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